Die Bedeutung von Lernepisoden für den Wissenserwerb im Museum

Eva M. Reussner, M.A., Dr. Kristin Knipfer, Prof. Dr. Stephan Schwan & Dr. Carmen Zahn

Das Forschungsprojekt befasste sich in einer integrativen Perspektive mit den Bedingungen, Abläufen und Ergebnissen lernbezogener Erfahrungen bei Museumsbesuchen. Aufgrund der ersten Erkenntnisse aus den übrigen Forschungsprojekten erschien es geboten, in einer komplementären Untersuchung Lernprozesse in Ausstellungen grundlegend und nicht allein fokussiert auf die Nutzung spezifischer Medien zu untersuchen und damit eine integrative Sicht auf das Zusammenspiel von Ausstellungscharakteristika mit Besuchervoraussetzungen und Besucherverhalten im Prozess des Ausstellungsrundgangs und die dadurch geprägten inhaltlichen Repräsentationen zu erhalten. Ziel der Studie war es, zu einem vertieften, differenzierten Verständnis von Lernvorgängen im Museum beizutragen und zugleich der Museumspraxis Ansatzpunkte für eine bezüglich des Lernpotentials optimierte Ausstellungskonzeption zu liefern. Ausgangspunkt der Untersuchung war die Problematik der episodischen Natur des Museums- und Ausstellungsbesuchs. Empirische Studien zu Besucherverhalten und Lernprozessen in Ausstellungen zeigen, dass sich Besucher mit den Elementen der Ausstellung sehr selektiv und unterschiedlich intensiv befassen und nicht unbedingt einer ggf. intendierten Besuchssequenz folgen, was für den Aufbau einer systematischen, umfassenden und kohärenten mentalen Repräsentation von Ausstellungsinhalten problematisch erscheint. Ausgehend von diesen Befunden wurde in diesem Projekt ein Modell des episodischen Lernens erstellt, insbesondere im Hinblick darauf, (1) wie sich das episodische Besuchsverhalten auf die mentale Repräsentation der Ausstellungsinhalte auswirkt, (2) welche Faktoren dieses episodische Besuchsverhalten beeinflussen und (3) wie man diese Faktoren ggf. optimieren kann, um das Lernpotential von Ausstellungen zu steigern.

Zur empirischen Untersuchung dieser Fragen wurde 2008 eine Kooperation mit dem Haus der Geschichte Baden-Württemberg, Stuttgart, etabliert. Zunächst wurden Gespräche zu den Präsentationsabsichten sowie zur intendierten bzw. erwarteten Lernwirkung der Dauerausstellung beim Besucher mit den für die Dauerausstellung des Museums verantwortlichen Kuratoren und Gestaltern geführt. Im Oktober und November 2008 fand eine erste Datenerhebung statt, um Beobachtungskriterien für die Identifizierung von Lernepisoden zu erproben und die gezielte Auswahl von Ausstellungsbereichen für eine weitergehende Analyse des Auftretens und der Kennzeichen von Lernepisoden zu erlauben. Dafür wurden 481 Besucher des chronologischen Teils der Dauerausstellung beobachtet und anhand demographischer Variablen sowie hinsichtlich Indikatoren vertiefter Auseinandersetzung kategorisiert. Auf dieser Grundlage wurden die Ausstellungsbereiche "Territoriale Revolution", "Einbindung in den Nationalstaat" und "Weltkriege und Zwischenkriegszeit" als diejenigen identifiziert, bei denen sich der höchste Anteil an Besuchern findet, die Anzeichen vertiefter Auseinandersetzung zeigen.

Zwei dieser drei Bereiche sind Gegenstand von Folgestudien, die mittels mobilem Eyetracking und vertieften Interviews Lernepisoden im Detail analysieren. Die Ergebnisse der ersten Untersuchung wurden mündlich und schriftlich an das Haus der Geschichte zurückgemeldet. Die Kooperation wird über den Rahmen des Projekts "Lernen im Museum: Die Rolle von Medien für die Resituierung von Exponaten" hinaus - getragen von Dr. Kristin Knipfer - fortgesetzt und bietet somit eine Perspektive für eine nachhaltige Weiterführung des Forschungsschwerpunktes.