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Projekt

Verständnis für die Fragilität medizinischer Befunde in partizipativen Medienformaten

ArbeitsgruppeWissenskonstruktion
Laufzeit10/2015–05/2017
FörderungBMBF
Projektbeschreibung

Das Projekt untersuchte, wie medizinische Laien neueste Forschungsergebnisse in journalistischen Texten und Online-Foren verstehen und bewerten. Ziel des Projektes war es, Faktoren zu identifizieren, deren Berücksichtigung zu einem besseren Transfer von Forschungsergebnissen in die Öffentlichkeit führen kann.

Täglich sind wir mit medizinischen Befunden in den Medien konfrontiert. Dies ist nützlich, da wir Wissen erlangen und so in der Lage sind, informierte Entscheidungen zu Gesundheitsfragen zu treffen. Jede Präsentation medizinischer Befunde ist jedoch nur ein kleiner Teil des aktuellen Standes in der wissenschaftlichen Gemeinschaft. Medizinische Befunde sind außerdem fragil und benötigen so meist Replikation in weiteren Publikationen.

In diesem Projekt wurden die möglichen Faktoren erforscht, die unser Verstehen und Einschätzen von medizinischen Befunden in journalistischen Texten und Online-Foren beeinflussen. Als Beispielthema wurde die tiefe Hirnstimulation benutzt, die in der Bevölkerung noch weitgehend unbekannt ist. Bei der tiefen Hirnstimulation wird das Hirn elektrisch stimuliert, um Symptome bestimmter psychomotorischer Krankheiten zu lindern, beispielsweise bei Parkinson.

In einer Reihe experimenteller Laborstudien wurden verschiedene situationale Einflussfaktoren manipuliert, die einen Einfluss auf das Verständnis und die Bewertung von medizinischen Befunden in journalistischen Artikeln haben können – beispielsweise die Salienz (Augenscheinlichkeit) der Fragilität der medizinischen Befunde, die Ausgewogenheit ihrer Darstellung, das Vorwissen der Rezipienten oder das Vorhandensein und die Art der den Artikel begleitenden Nutzerkommentare. Zusätzlich wurde der Einfluss personaler Eigenschaften (Traitvariablen) der Rezipienten untersucht – wie der Einstellung der Teilnehmer zum Konstrukt Wissen an sich („Epistemic Beliefs“), ihrer Selbstwirksamkeitserwartung oder ihrer kognitiven Fähigkeiten. Darüber hinaus wurde eine Feldstudie mit echten Online-Artikeln und Nutzerkommentaren durchgeführt, welche erste Befunde aus den Laborstudien replizieren konnte: Internetnutzer sind durchaus in der Lage, die Fragilität wissenschaftlicher Befunde zu erkennen – wenn sie im zugrunde liegenden Artikel salient gemacht wird und die Informationen ausgewogen dargestellt sind. Gleichzeitig scheint höhere wahrgenommene Fragilität jedoch die Beurteilung der wissenschaftlichen Glaubwürdigkeit und die Einstellung zum Thema negativ zu beeinflussen.

Das Projekt machte ein Drittel einer institutsübergreifenden Kooperation zwischen dem IWM und dem Institut für Ethik und Geschichte der Medizin an der Universität Tübingen aus. Das Ziel der Kooperation war die Erweiterung des jetzigen limitierten Verständnisses über den Wissenstransfer zwischen wissenschaftlicher Gemeinde, der Öffentlichkeit und dem Individuum. Zusammen erfolgte eine weitreichende, aber systematisch angelegte Erforschung dieser Prozesse aus ethisch-historischen, motivationalen und sozio-cognitiven Perspektiven. Übergeordnetes Ziel war das Formulieren von Empfehlungen, wie Laien auf eine ausgewogene Weise über medizinische Befunde informiert werden können, um ein möglichst realistisches, unverzerrtes Bild zu erhalten. So hat sich beispielsweise gezeigt, dass die Fragilität der Befunde realistischer eingeschätzt wird, wenn der Artikel nicht nur einseitig positiv geschrieben ist, sondern durch die Gegenüberstellung konfligierender Informationen zum (selber) Nachdenken anregt.

Kooperationen

Institut für Ethik und Geschichte der Medizin an der Universität Tübingen

Publikationen

Feinkohl, I., Flemming, D., Cress, U., & Kimmerle, J. (2016). The impact of personality factors and preceding user comments on the processing of research findings on deep brain stimulation: A randomized controlled experiment in a simulated online forum. Journal of Medical Internet Research, 18, e59. https://dx.doi.org/10.2196/jmir.4382.

Flemming, D., Feinkohl, I., Cress, U., & Kimmerle, J. (2015). Individual uncertainty and the uncertainty of science: The impact of perceived conflict and general self-efficacy on the perception of tentativeness and credibility of scientific information. Frontiers in Psychology, 6. https://doi.org/10.3389/fpsyg.2015.01859.

Kimmerle, J., Flemming, D., Feinkohl, I., & Cress, U. (2015). How laypeople understand the tentativeness of medical research news in the media: An experimental study on the perception of information about deep brain stimulation. Science Communication, 37, 173-189. doi:10.1177/1075547014556541.