Die dunkle und helle Seite der Disidentifikation: Voraussetzungen und Konsequenzen
Arbeitsgruppe | Wissenskonstruktion |
Laufzeit | 03/2013–12/2016 |
Förderung | Leibniz-WissenschaftsCampus Tübingen |
Projektbeschreibung
In dem Projekt wurde untersucht, wie eine negative, selbst-definierende Beziehung zu einer relevanten Gruppe (eine sog. „Disidentifikation“) entstehen kann und welche Konsequenzen eine solche Beziehung auf die Informationssuche, -präferenz und die weitere Entwicklung innerhalb der Gruppe hat.
Das individuelle Informationsverhalten wird geprägt durch Informationsumwelten, die sich bei individuellen Statusübergängen, wie z.B. bei Studienbeginn, verändern. Das Projekt hat spezifisch die Entwicklung und Konsequenzen von negativen Entwicklungen zwischen Individuum und Gruppe untersucht, indem es die Entstehung und Folgen von Disidentifikation mit Gruppen in den Fokus genommen hat. Disidentifikation ist eine aktive Distanzierung von einer Gruppe, die aber für die Selbstschreibung, die Emotionen und das Verhalten relevant ist. Disidentifizierte Mitglieder einer Gruppe beschreiben sich als gegenteilig zum typischen Gruppenmitglied, erleben negative Emotionen bei Treffen mit der Gruppe und verhalten sich gegen die Interessen der Gruppe. In Labor- und Feldexperimenten konnte gezeigt werden, dass Inkompatibilität zwischen bestehenden und neuen Gruppenmitgliedschaften die Disidentifikation mit der Gruppe fördern kann. Ein weiterer Risikofaktor für Disidentifikation ist die Zuweisung zu einer Gruppe, bei der man starke Differenzen zwischen sich und der Gruppe wahrnimmt.
Die Disidentifikation mit einer Gruppe hat Konsequenzen für das Informationsverhalten: Es konnte gezeigt werden, dass disidentifizierte Gruppenmitglieder die Gruppe als Informationsquelle meiden und negative Informationen über die Gruppe bevorzugen. Sie zeigen anti-normatives Verhalten und verlassen die Gruppe schneller. Außerdem zeigen sie diskriminierendes Verhalten gegenüber anderen Gruppen mit niedrigem Status. In Laborstudien zum Verhalten bei Situationen, in denen Informationen mit der Gruppe geteilt werden, zeigt sich, dass disidentifizierte Mitglieder mehr wertvolle Informationen zurück halten, dafür aber wertlose Informationen mit der Gruppe teilen, um ihr Gesicht zu wahren. Insgesamt ist Disidentifikation also ein Risikofaktor sowohl für eine gute Integration einer Person in der Gruppe, als auch für die Gruppe selbst. Die Untersuchung von Disidentifikation trägt zu einem besseren Verständnis von negativen intragruppalen Prozessen bei.
Kooperationen
Prof. Dr. Steffen Hillmert
Prof. Dr. Martin Groß
Prof. Dr. Bernhard Schmitt-Hertha