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Projekt

Die Auswirkung von Diskrepanzen zwischen einem Historienbild und historischer Evidenz auf die kognitive Verarbeitung

ArbeitsgruppeRealitätsnahe Darstellungen
Laufzeit08/2017 - 08/2021
FörderungIWM Haushaltsmittel
Projektbeschreibung

Museumsbesucher*innen tendieren dazu, Bilder als wahrheitsgemäße Informationsquelle für das dargestellte Ereignis zu betrachten. Bilder weichen aber oft von der Wirklichkeit ab, weshalb eine tiefere, de- und rekonstruierende Auseinandersetzung erforderlich ist. Dieses Dissertationsprojekt untersuchte Effekte einer Benennung von Diskrepanzen zwischen Historienbild und historischer Evidenz auf die Bildbetrachtung.


Auf Basis des „Models of Narrative Engagement“ (Busselle & Bilandzic, 2008) wurde erwartet, dass Betrachtende durch die Benennung von Diskrepanzen zwischen Bild und historischem Ereignis weniger in das damalige Ereignis hineinversetzt werden, was eine kritische Auseinandersetzung mit der konstruierten Wirklichkeit des Bildes ermöglichen sollte. Auf der Basis des „Content-Source-Integration Model“ (CSI; Stadtler & Bromme, 2014) wurde erwartet, dass die Benennung von Diskrepanzen Auswirkungen auf die kognitive Verarbeitung der Informationen von Quelle und Bild, die Bewertung der Glaubwürdigkeit und das Erinnern von Bildinformation hat. Basierend auf dem „Vienna Integrated Model of Art Perception“ (VIMAP; Pelowski et al., 2017) wurde erwartet, dass Diskrepanzen das ästhetische Gefallen der Bilder verringern. Untersucht wurden dabei kognitive Prozesse durch die Verwendung von Eye-tracking. Mittels Wissenstests und Selbstbericht wurden der daraus resultierende Wissenserwerb und die Bewertung des Bildes durch die Betrachtenden erfasst. Über alle Studien hinweg zeigten die Ergebnisse, dass die Kraft von Bilderzählungen, die Rezipient*innen in die Erzählung hinein zu versetzen, nicht durchgängig durch den Hinweis auf die falsch dargestellten Fakten über das "echte" historische Ereignis beeinträchtigt wurde. Das explizite Benennen von Diskrepanzen führte zu längeren Verarbeitungszeiten der Bildinhalte, was auf eine Konflikterkennung hindeutet. Die Betrachter*innen suchten außerdem nach Quelleninformationen und nutzten diese zusammen mit Informationen über den Inhalt, um die Vertrauenswürdigkeit der Bilder zu bewerten. Die Vertrauenswürdigkeit der Bilder wurde geringer eingeschätzt, wenn Diskrepanzen genannt wurden, aber es gab Hinweise darauf, dass zusätzliche Informationen, die die Diskrepanzen erklärten, diesen negativen Effekt ausglichen. In ähnlicher Weise kompensierten Erklärungen ein geringeres ästhetisches Gefallen bei genannten Diskrepanzen. Für die Gestaltung von bildbegleitenden Audiotexten, die in Geschichts- und Kunstgeschichtsmuseen eingesetzt werden, kann daher empfohlen werden, benannte Diskrepanzen direkt nach ihrer Benennung zu erläutern.

Publikationen

Knoos, M., Glaser, M., & Schwan, S. (2021). Multiple documents of text and picture: Naming a historical painting’s inaccuracies influences conflict regulation strategies. Contemporary Educational Psychology, 65, Article 101970. https://dx.doi.org/10.1016/j.cedpsych.2021.101970
 

Knoos, M., Glaser, M., & Schwan, S. (2021). Aesthetic experience of representational art: Liking is affected by audio-information naming and explaining inaccuracies of historical paintings. Frontiers in Psychology, 12, Article 3009. https://dx.doi.org/10.3389/fpsyg.2021.613391 Open Access